Moskau/Kiew (Reuters) - Der russische Hilfskonvoi für die Ostukraine nährt Befürchtungen vor einem direkten Eingreifen des Nachbarlands in die Kämpfe in der Grenzregion.
In der Nähe von Moskau setzten sich am Dienstag 280 Lastwagen mit Hilfsgütern in Bewegung. Die ukrainische Führung machte klar, dass der Transport nur bis zur Grenze fahren dürfe, wofür er etwa zwei bis drei Tage brauchen dürfte. Anschließend müssten die Güter unter ukrainischer Kontrolle umgeladen werden. Russlands Außenministerium sicherte zu, ab der Grenze könne das Rote Kreuz die Führung übernehmen. Westliche Politiker befürchten dennoch, dass die Lieferungen als Tarnung oder Vorwand für eine russische Intervention genutzt werden könnte. Prorussische Separatisten sind im Kampf mit ukrainischen Regierungstruppen zuletzt in der Region in Bedrängnis geraten. (Grafik: bit.ly/1yrtUvw)
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte nach einem Treffen mit ihrem britischen Kollegen Michael Fallon, dass Hilfen für die Menschen in der Region unter Kontrolle der Ukraine bleiben müssten. “Wir sind beide der festen Überzeugung, dass alle humanitären Maßnahmen unter der Ägide und Führung der ukrainischen Regierung durchgeführt werden sollen, gemeinsam mit dem Roten Kreuz.” Der Konvoi war auch Thema eines Telefonats zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande.
Die ukrainische Führung pochte darauf, dass die Güter an der Grenze umgeladen werden müssen. Ohnehin hat sie einem internationalen Transport mit russischer Beteiligung nur zugestimmt, wenn er unter Führung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz stattfindet. Diese Bedingung ist nach Worten des früheren ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma, der im Konflikt vermittelt, erfüllt. Auch Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) würden die Lkw begleiten, sagte Kutschma der Nachrichtenagentur Interfax.
Ein enger Vertrauter von Präsident Petro Poroschenko sagte, ein Konvoi, der von Angehörigen der russischen Streitkräfte oder des Katastrophenschutzministeriums begleitet werde, dürfe nicht auf ukrainisches Hoheitsgebiet fahren. “Alles wird unter der Kontrolle der ukrainischen Seite stehen.”
In den Lastwagen sollen sich Medikamente, Lebensmittel, Wasser, Babynahrung und Stromgeneratoren befinden. Nach monatelangen Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten mangelt es den Menschen in den Rebellenhochburgen Luhansk und Donezk an Vielem. Tausende harren ohne Strom aus.
Ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte, der Hilfstransport sei mit der Ukraine abgestimmt. In Kiew verlautete jedoch aus Regierungskreisen, es gebe keine Vereinbarung, wonach russische Lkw die Grenze überqueren dürften. Putin wird sich am Mittwoch mit seinen Sicherheitsberatern auf der Krim treffen, die Russland in diesem Jahr gegen den Protest der Ukraine und des Westens eingliederte.
Der russische Einsatz nährt auch jetzt Befürchtungen im Westen. “Wir müssen außerordentlich vorsichtig sein”, sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius im Hörfunksender France Info. Es könne sein, dass sich auf diesem Wege Russen in der Nähe von Donezk und Luhansk in Stellung brächten und den Westen vor vollendete Tatsachen stellten. Der Hilfskonvoi sei nur möglich, wenn das Rote Kreuz ihn genehmige.
US-Außenminister John Kerry sagte bei einem Besuch in Sydney, er hoffe, dass die internationale Gemeinschaft schon bald einen Weg für eine Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Russland finden werde, um der Bevölkerung die nötige Hilfe zuteilwerden zu lassen. Er hoffe, dass dies auf diplomatischem Wege geschehe. “Aber wir wissen auch, dass wir zugleich vorsichtig und stark sein müssen”, sagte er. “Unsere Antwort muss klar sein, was wir akzeptieren und was nicht.”
Auch die ukrainische Führung hatte zunächst die Befürchtung geäußert, Russland könnte unter dem Deckmantel eines Hilfskonvois seine Soldaten in die Ostukraine einmarschieren lassen. Nach westlichen und ukrainischen Angaben sind 45.000 russische Soldaten an der Grenze zusammengezogen worden.
Die Nato stuft die Wahrscheinlichkeit einer russischen Invasion als sehr hoch ein. Es gebe weiter keine Anzeichen dafür, dass Russland die Truppenstärke an der Grenze verringere, hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in einem Reuters-Interview gesagt.